Zum Gedenken an Jorge Gomondai
DIE LINKE hat sich am Gedenken an die Ermordung von Jorge Gomondai beteiligt.
Nächstes Jahr wäre Jorge Gomondai 60 Jahre alt geworden. Wahrscheinlich hätte er in seinem Heimatland Mocambique an der Modernisierung der Fleischwirtschaft mitgewirkt. So war der Plan als er in den 80er Jahren das Glück hatte in der DDR eine Fachausbildung erlernen zu dürfen. Dann aber kam die Wende und mit den versprochenen blühenden Landschaften kam sein Tod.
Als er am 6.April 1991 vom damals noch Platz der Einheit in seine Unterkunft in der Holbeinstraße fuhr stiegen junge Skeanheads zu, schlugen und warfen ihn am Ende der damaligen Straße der Befreiung aus der Straßenbahn. Dort verstarb er an den Folgen der Mißhandlungen. Er war das erste rassischtische Opfer der neuen gesamtdeutschen Demokratie.
Einige Täter wurden freigesprochen, wenige erhielten geringe Jugendstrafen. Ministerpräsident Biedenkopf betonte in der Zeit das Sachsen kein rechtes Problem hat.
Vorallem junge Menschen nahmen die rassischen Auswüchse damals nicht hin. Eine Initiative um den Ausländerrat e.V. errichtete eine Stele und organisierte jedes Jahr am Tag des Mordes einen Marsch vom Kulturpalst zur Todesstelle. Viele hunderte Teilnehmer schlossen sich dem Gedenken an. Anschließend wurden in der Dreikönigskirche der Film über diesen rassistischen Mord gezeigt und damit verbundene kulturelle Veranstaltungen durchgeführt.
15 Jahre danach nutzte ich (der Autor) als stellvertretender Vorsitzender des Ausländerbeirates mein Antragsrecht als Stadtrat und schlug vor, diesen Teil der Hauptstraße in Gomondai-Platz umzuwidmen. Ich glaubte zu der Zeit noch, daß man sich einem solchen Anliegen nicht entgegenstellen kann. Die Verhinderungsversuche waren subtil. Keiner zeigte offen das er dagegen ist, aber es gab "Bedenken", unlogische, oft weit her geholt. Meine eigene Fraktion unterstützte den Antrag bis auf wenige Mitglieder um den Fraktionsvorsitzenden. Der meinte der Platz sei nicht geeignet, weil dort keiner wohnt. In den Ausschüssen wurden "Alternativstandorte" vorgeschlagen, einer davon war eine abgelegene Straße in Weißig. Ich bat nun die Ortsbeiräte Altstadt und Neustadt um Unterstützung. Der Ortsbeirat Neustadt beschloß den Gomondaiplatz. Über den Einfluß einzelner Parteien auf ihre Fraktionen kam es zum Stadtratsbeschluß.
Zusammen mit Landsleuten von Gomondai, Vertretern des Ausländerbeirates, Hilfsvereinen aber vor allem der engagierten Mitwirkung der Ausländerbeauftragten Marita Schieferdecker-Adolf gelang es uns, daß die Mutter und der Bruder des Ermordeten den Platz einweihten. Ich hatte ein Gespräch mit dem Botschfter eines Nachbarlandes von Mocambique, der so angetan von unserem Engagement war, daß er sich diplomatisch einsetzte, daß die beiden nach Dresden kommen können. Weil die Platzumbenennung am Tag der Ermordung nicht möglich war, mußten wir diese auf den 30.März 2007 vorverlegen. Der NPD-Stadtrat Krien kündigte in einem Schreiben an, daß er mit 30 Mann kommen wird.
Über Mittelsmänner ließen wir der Mutter 50 Euro nach Maputo bringen, organisierten und bezahlten den Flug. Da standen sie dann bei spätwinterlichen Temperaturen im Flugplatz Dresden in Sandalen ohne Strümpfe, keiner Jacke und fast ohne Gepäck. Das erste mal in ihrem 70jährigen Leben außerhalb ihres Landes. Die Ausländerbeauftragte fuhr mit ihr in eine Kleiderkammer, wo sie unseren Temperaturen angemessene Kleidung erhielt. Dann brachten wir sie in einem geheimen Ort unter. Der damalige OB beauftragte den Bürgermeister für Stadtentwicklung und Bau Feßenmeier mit der Einweihung, wenige Stadträte kamen aber viele Menschen der Stadt. Die Mutter erklärte uns später, daß sie nicht verstanden hat, warum sie hierhergeholt wurde. In ihrem Land ist es üblich das Angehörige eines Opfers eine Entschädigung bekommen. Von offizieller deutscher Seite gab es nicht mal eine Entschuldigung. Auf ihrem Wunsch fuhren wir die Mutter an die Orte, wo ihr Sohn in Dresden gewirkt hatte. Als ich ihr half die Rückflugtasche zu packen, sah ich das sie alles mitnahm, selbst die angerissene Butter. Die Armut in ihrer Region ist so groß, daß sie NICHTS wegschmeißen. Das Haus in dem sie wohnt hatte kein Dach und keine Fenster. Jorge Gomondai ermöglichte mit dem Geld von hier, daß sich die Familie ernähren konnte. Nach seinem Tod war es seinen beiden Nichten nicht mehr möglich zur Schule zu gehen.
Auf das weiße Schild unter dem Namensschild, welches erklärt wer Jorge Gomondai war, mußten wir Monate warten. Ich hatte mehrmals in der Verwaltung nachgefragt. Das entsprechende Schild einer anderen Straße, die fast zur selben benannt wurde, wurde schon bald danach angebracht.
Als wir Mutter und Sohn Gomondai vor dem Rückflug mit unseren Gastgeschenken eincheckten mußten wir lange mit der Lufthansa diskutieren, damit sie uns wegen das leichten Übergewichts und angesichts des besonderen Umstandes, also der großen Armut der beiden, die Zusatzgebühren erlassen und verringern. Auch nach Telefonaten mit der Geschäftsführung führte kein Weg zum solidarischen Handeln. Wir haben das Geld dann bezahlt.
Trotz all dieser Probleme und angesichts der Tatsache, daß nichts ohne Widerstand geht, gibt es heute diesen Platz und er erinnert an Jorge Gomondai, der mit großer Hoffnung nach Europa kam, sich einbringen wollte, aber dann in der reichen neuen BRD ermordet wurde, aus niederen Motiven.
(Diese Gedanken brachte Andreas Naumann zu Papier)
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