So richtig will das alles nicht zusammen passen: Einerseits soll die Kommunalpolitik in Dresden die sich häufenden Hochwasserereignisse berücksichtigen und entsprechend nachhaltige Konzepte in der Stadtplanung verankern. Das Problem dabei: Es gibt wenige flutbare Flächen – so genannte Retentionsflächen – innerhalb des Stadtgebiets, die Wassermassen aufnehmen, wenn die Elbe über die Ufer tritt. Und andererseits werden munter weitere Wohnungsbauvorhaben direkt im ausgewiesenen Flutgebiet vorangetrieben.
Das Bewusstsein für die Hochwasserproblematik ist seit 1998 in Europa gewachsen, das seitdem einen Ausbau der Hochwasserschutzmaßnahmen vorantreibt. Das Europäische Parlament hat dies 2006 in einer entsprechenden Richtlinie zusammengefasst und zur kommunalen Berücksichtigung veröffentlicht:
„Zwischen 1998 und 2004 gab es in Europa über 100 größere Hochwasserereignisse. Diese haben rund 700 Menschenleben gefordert, eine halbe Million Menschen verloren ihr Zuhause, und es entstanden versicherte Schäden in Höhe von mindestens 25 Mrd. EUR.
Hochwasser ist ein natürliches Phänomen, das nicht verhindert werden kann. Jedoch trägt menschliches Handeln zu einer Zunahme der Wahrscheinlichkeit und der negativen Auswirkungen von Hochwasser bei. Das Hochwasserrisiko und der Umfang der Schäden werden als Folge des Klimawandels, unzureichender Flussbewirtschaftung und von Bautätigkeiten in hochwassergefährdeten Gebieten sowie aufgrund einer höheren Zahl von Einwohnern und Wirtschaftsgütern in diesen Gebieten künftig zunehmen.“
(Auszug aus „Richtlinien zu Bewertung und Management von Hochwasserrisiken des Europäischen Parlaments (Richtilinie 207/60 EG).) http://europa.eu/legislation_summaries/environment/tackling_climate_change/l28174_de.htm)
Im Juli 2013 sollte in Dresden der Bebauungsplan B-357B („USD-Hafencity Dresden“) auf den Weg gebracht werden. Hier plant der Investor „Unser Schönes Dresden“ ein Wohngebiet mit Luxusstandard direkt im auch damals schon ausgewiesenen Überflutungsgebiet der Elbe.
Die Flut im Juni 2013 jedoch verhinderte die zügige Genehmigung und löste stattdessen eine breite öffentliche und politische Debatte aus, ob es überhaupt verantwortlich und zeitgemäß sei, die Errichtung von Wohngebieten im Flutgebiet der Elbe zu genehmigen. Immerhin werden in Magdeburg und anderswo ganze (z.T. vor wenigen Jahren errichtete) Wohngebiete abgesiedelt und aufgegeben. Viele Menschen verloren ihre Existenzgrundlage durch Fehlplanungen, hohe Ausgleichszahlungen belasten die kommunalen Kassen.
Um nun für Dresden eine Entscheidung zur geplanten Bebauung der Flutgebiets am Neustädter Hafen zu treffen, sollte die Auswertung der Flut 2013 abgewartet werden. Am 10. Juli 2014 nun war es soweit: Die Hochwasser-Analyse 2013 wurde im Stadtrat diskutiert.
Die Stadtverwaltung soll dem Stadtrat Vorschläge zur Verbesserung des Hochwasser-Risiko-Managements vorlegen. Weitere Messstationen sollen installiert werden, um Hochwassergefahr schneller zu erkennen. Weiter wird die Oberbürgermeisterin beauftragt, die Prüfung eines öffentlichen Gebietsschutzes für DD-Neustadt und DD-Pieschen in Auftrag zu geben. Dort hatte sich die Flut 2013 besonders stark ausgewirkt.
Und jetzt kommt's: Gleichzeitig soll die Planung des B-357B („USD-Hafencity Dresden“) parallel weitergeführt werden. Im alten Stadtrat wurde nun also verabschiedet, einen Bebauungsplan für das Gebiet um den Neustädter Hafen aufzustellen.
In derselben Stadtratssitzung wurden also Maßnahmen beschlossen, die die Hochwasserschäden künftig minimieren sollen und ZUGLEICH laufen die Planungen für die Bebauung des Flutgebietes am Elbufer einfach weiter? Und zwar genau dort, wo das Wasser 2002 und 2013 über 2 Meter hoch stand und die Fluten gravierende Schäden hinterließen?
Wir erinnern uns: Ein entsprechender Eil-Antrag wurde vorletzte Woche von der CDU eingebracht und hat es noch schnell auf die Tagesordnung der letzten Sitzung des Stadtrats geschafft.
Im gleichen Zuge und genauso eilig sollte auch der Bebauungsplan für „Marina City“ beschlossen werden: Das Projekt der Dresdenbau GmbH – vor kurzem noch „Marina Garden“ genannt – soll direkt neben „Hafencity Dresden“ aus dem Boden des Flutgebiets sprießen. Der Antrag schaffte es dann doch nicht mehr auf die Tagesordnung. Durch einen Verfahrensfehler im Vorfeld musste die Abstimmung vertagt werden (der Ortsbeirat Dresden-Pieschen hätte ebenfalls über das Projekt informiert werden müssen. Das ist in der Eile wohl vergessen worden). Der Antrag zur Aufstellung des Bebauungsplans B-357C ist damit vertagt worden.
Ursprünglich sollten die Bebauungspläne nicht einmal im Stadtrat behandelt werden. Die Anträge sollten vor zwei Wochen bereits im Bauauschuss beschlossen werden, was zum Glück verhindert werden konnte.
Zu begründen ist diese merkwürdige Eile wohl am ehesten mit dem Ergebnis des Kommunalwahl im Mai. Dort wählten die Dresdner_innen die bisherige Mehrheit von CDU und FDP ab. Ab September ist dann eine neue rot-rot-grüne Mehrheit im Amt. Sehr wahrscheinlich kommt der Stadtrat dann zu einer anderen Einschätzung der Situation. Es sollten noch schnell Tatsachen geschaffen werden und ein bisschen wird wohl auch Wahlkampf betrieben für die bevorstehende Landtagswahl (31. August) und die Neuwahl des Oberbürgermeisters/der Oberbürgermeisterin (Frühjahr 2015).
Aber ist dies der richtige Weg, um sensible stadtplanerische Projekte auf den Weg zu bringen? Seit einem Jahr steht die Bebauung des Flutgebiets zwischen Neustädter Hafen und Alexander-Puschkinplatz politisch und öffentlich stark in Kritik, auch über die Stadtgrenzen hinaus.
Obwohl die Entscheidung für den Bebauungsbeschluss mit alter Stadtrats-Mehrheit nicht verhindert werden konnte, so sind doch erneut zahlreiche kritische Stimmen auf der Sitzung am vergangenen Donnerstag und im Vorfeld zu hören gewesen.
Die Bürgerinitiative "Elbraum für alle - STOPPT Hafencity" hat am Donnerstag vor dem Sitzungssaal des Stadtrates gegen die beabsichtigte Bebauung protestiert. Insgesamt kamen im Zeitraum der Stadtratssitzung zwischen 15 Uhr und 21 Uhr rund 150 Menschen zur Messe Dresden, um gegen die Bebauungspläne zu demonstrieren. Ich war mit dabei.
Mit der Aktion "Rote Karte für den Stadtrat" äußerten wir unsere Kritik daran, dass im alten Stadtrat vor der Sommerpause so wichtige Themen wie Hafencity und der Hochwasserschutz auf die Tagesordnung rückten, obwohl strittige Themen nicht mehr entschieden werden sollten, bevor der neu gewählte Stadtrat zusammentritt.
Die Kommune muss ihre Verantwortung beim Thema Hochwasserschutz ernst nehmen, denn sie trägt auch die Konsequenzen für die Schäden einer erneuten Flut. Kein Investor wird hier später zur Verantwortung gezogen werden, soviel ist sicher.
Mehr zur Protest-Kundgebung (mit Video) auf dem Blog der Bürgerinitiative Elbraum für alle - STOPPT Hafencity.
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