Der Diskussion in der letzten Stadtratssitzung um die "Billigung, die Begründung und den Beschluss zur öffentlichen Auslegung des Entwurfes zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 6007" - kurz Globus - wurde kontrovers geführt. Die öffentliche Beschlussfassung ist mit den Stimmen der Linken aus dem Fachausschuss Stadtentwicklung in den Stadtrat "gehoben" worden - denn im Normalfall entscheidet der Fachausschuss allein über diesen Aufstellungsschritt. Anschließend folgt mit einer vier Wochen dauernden, öffentlichen Auslegung eine Bürgerbeteiligung. Jede Bürgerin und jeder Bürger ist dazu eingeladen, seine Meinung kund zu tun.
Die Frage, die sich auch die Fraktion Die Linke in langen und kontrovers geführten Diskussionen stellte, war simpel - die Antworten darauf dagegen vielfältig:
Welche Für und Wider ergeben sich, wenn ein Bebauungsplan auf den Weg gebracht wird, der die geplante Ansiedlung eines Großflächigen Einzelhändlers von der Grünen Wiese in die INNENstadt zulässt?
Insgesamt kommt das Dresdener Zentrenkonzept zu dem Schluss, dass Dresden keine weiteren Handelsansiedlungen in der Kernstadt benötigt. Rein flächenstatistisch sind wir mehr als gesättigt. Neue Flächenausweisungen am Straßburger Platz, an der Friedrichstraße, am Albertplatz, am Hauptbahnhof (10.000 qm) oder im Rahmen der Campuserweiterung sind dennoch willkommen, denn der lokale Bedarf sei gegeben – so die Stadt. Selbst das Alte Postareal, welches mit ursprünglich 14.000 qm Handelsfläche an der Königsbrücker Straße mit einem Stadtteilcenter kombiniert werden sollte, hätte irgendwie – etwas kleiner vielleicht? – im Zentrenkonzept Platz gehabt. Die Stadt schwieg dazu genauso wie der Handelsverband oder andere Interessenvertreter. Dagegen sind die städtebaulichen, verkehrlichen und funktionalen Auswirkungen eines Globus-Marktes am Neustädter Bahnhof gigantisch – kommen mehrere beauftragte Gutachten zum Schluss.
Fast vergessenes Gelände
Mit großer Wahrscheinlichkeit waren die wenigsten Dresdener in den letzten Jahren auf den kontaminierten Brachen, versteckt hinter einem Hochgleis, auf den seit Jahrzehnten siechenden Anlagen des ‚Alten Leipziger Bahnhofs‘. Die Fläche zählt zu den mehr als 1.600 ha, welche verstreut in der Stadt auf eine Wiederbelebung warten.
Just für diese Brache sah der 2009 aufgestellte Rahmenplan eine weitere Kulturspange vor. Gleich nach dem Umbau des Kulturpalastes und des Bahnhofs Mitte könnten sich so Kulturschaffende in den ruinösen Baudenkmälern einquartieren und der Kulturstadt Dresden alle Ehre machen. Nebenbei würde die Kontaminierung verschwinden und die Deutsche Bahn die Flächen verschenken. Vor allem sie ist bekannt dafür, möglichst viel Geld an wirklich richtig gute Projekte zu geben. Schnell und unkompliziert. Diese Idee ist bezaubernd und einleuchtend, doch mehr als unwahrscheinlich sieht man sich
a) die Finanzen der Stadt;
b) die finanzielle Situation von mehr als 80% der Dresdener Kulturschaffenden; c) den Alteigentümer an.
Seit vielen Jahren ist zudem klar, dass Stadt und Land eine Verlagerung des Verkehrsmuseums an diese Stelle eben aus finanziellen Gründen ablehnen. Die LINKE selbst will das Museum an zentraler Stelle auf dem Neumarkt erhalten.
Denkmalschutz exklusive
Wird der vielzitierte Rahmenplan zudem genauer betrachtet, zeigt sich, dass für die durchaus denkmalgeschützten und erhaltenswerten Gebäude des ersten deutschen Fernbahnhofs planerisch kein Platz ist. Laut Plan würde beinahe jedes Gebäude geschliffen, sprich abgerissen und durch neue ersetzt werden.
Schnell kam die Idee des Wohnens auf. In der Nähe der Innenstadt, gleich neben dem Hochgleis, in idyllischer Nähe zur Elbaue.
Als Brache für Wohnungsbau wurde das Gelände des Alten Bahnhofs plötzlich zur Innenstadt gezählt, der Globus-Markt dagegen auf gleicher Stelle als randstädtisch bezeichnet. Fakt ist, dass weiterhin auf über 30 ha Brachland Wohnungsbau entstehen kann, auch wenn dies der aktuelle Flächennutzungsplan bisher nicht vorsieht. Viele tausend Bewohner könnten so ein neues Zuhause in der Leipziger Vorstadt finden, trotz Globus am Gleis. Wenn der von uns LINKEN politisch unterstützte Gedanke des ‚Zurück in die Stadt‘ gefordert ist, dann ist es nur konsequent, nicht nur an Häuslebauer, sondern eben auch an andere Funktionen und Nutzungen zu denken.
Man muss nicht um den heißen Brei herumreden: 8.800 qm und über 1.000 Stellflächen samt Öffnung der Bahnbögen sind kein Pappenstiel. Keiner der LINKEN unterstützte diese Größe der Ansiedlung. Und doch freuen sich der Alte Schlachthof als Konzertveranstalter und die Deutsche Bahn über dringend benötigte, unkompliziert geschaffene neue Besucherparkplätze und so mancher Pieschener ist dankbar. Ob ein erster Lebensmittel-Globus ohne Autobahn so viel Flächenumsatz generieren und damit Kaufkraft binden kann, wie die Kritiker meinen, darf aktuell diskutiert werden. Globus ist ein neuer Player am Dresdener Markt. Fakt ist, dass der genossenschaftlich organisierte Konzern Edeka über seine Edekas, Nettos, Diskas und Marktkauf eine Volumenvon mehr als 25% des Lebensmittelmarktanteils in Dresden mit steigender Tendenz in seiner Hand hält, es vier Lidl-Märkte, drei Konsum- und Rewemärkte in Laufdistanz gibt. Fakt ist auch, dass die Innenstadt und der Elbepark kein Interesse daran haben können, neue Konkurrenz zu bekommen. Letzterer unterstützt dafür gern finanziell eigene Kritiker mit Gutachten und bei Initiativen. Natürlich kann auch ich die Angst der kleinen inhabergeführten Händler verstehen, glaube jedoch, dass sich Individualität und Qualität schlussendlich durchsetzen wird.
Eine ehrliche Entscheidung
Last - but not least erzeugt jedes Neubauvorhaben an dieser Stelle mehr Verkehr, als heute. Egal ob es eine neue Handelsansiedlung, die Erweiterung des kleinen Industriestandortes (Menarini) an der Leipziger Straße oder die Errichtung neuer Wohngebäude ist –unabhängig der Folgenutzung bedarf es hier einer klugen Organisation dieser Verkehrsströme. Verhindern können werden wir sie nicht.
Die LINKE hat dem Vorhaben Globus nicht zugestimmt. Aber es gab fünf - darunter auch meine - berechtigte Enthaltung. Ich persönlich finde dieses Vorhaben hundert Mal ehrlicher, als die Sanierung des Alberthochhauses, das für 5% Denkmalgebäudefläche 95% fast fensterlose Neubauummantelung mit Einzelhandel erhält.
Das Thema der Ansiedlung eines Globus-Marktes erlaubt kein einfaches Für und Wider. Es ist weitaus komplexer, als in der Öffentlichkeit präsentiert. Ich bin dankbar für die in unserer Fraktion geführte, intensive Diskussion und die sich daran anschließende, offene Meinungsbildung. Ich weiß nicht, ob ich es als politisch mutig bezeichnen würde - ehrlich war es allemal.
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